Kempner des Tages
Der Barde
Für eine Dame, schön und hold,
Für Minnetreu und Minnesold,
Des Barden höchstes Gut,
Verspritzen wir das Blut.
Der Barde liebet Ehr‘ und Recht,
Er ist der Erste im Gefecht,
Für Mortimer von Lewellyn
Bis in den Tod die Barden zieh’n.
Für Wales, unser Vaterland,
Gesegnet schön von Gottes Hand,
Für seine Berge und grüne Seen
Die Barden Alle für Einen steh’n.
Friederike Kempner gilt vielen als „Genie der unfreiwilligen Komik“. Mich interessiert die Frage, wieso ihre Gedichte immer noch begeisterte Leser finden, während Unmengen ihrer Zeitgenossen nur Langeweile auslösen. Ein uns eher komisch anmutendes Pathos haben viele schlechte Dichter – was ist an dieser einen anders?
Daß sie sich ungeniert der Ingredienzien der volkstümlich-liedhaften Lyrik bedient, kann es nicht sein, das taten viele.
In der ersten Strophe ist es das Thema des Barden und die Floskeln schön und hold und Minnetreu und Minnesold. Sehr komisch ist dann die – wäre nicht das Reimwort „gut“ – unerwartete Wendung „Verspritzen wir das Blut.“ Das Spiel fängt an zu gefallen.
Dabei bleibt es nun:. Ist das nicht komisch?
Der Barde liebet Ehr‘ und Recht,
Er ist der Erste im Gefecht,
Für Mortimer von Lewellyn
Bis in den Tod die Barden zieh’n.
Also für die Dame wird er töten, für Mortimer von Lewellyn aber sterben. Was kommt noch? – Der Höhepunkt.
Für Wales, unser Vaterland,
Gesegnet schön von Gottes Hand,
Für seine Berge und grüne Seen
Die Barden Alle für Einen steh’n.
Was denn sonst. Die Barden, für Wahles, das schöne, gesegnete Land. (Na, geht doch fast mit dem Jambus).
streichholzschächtelchen
eine sägemaschine jault
der küchenfußboden aus stein
die katze versteckt sich auf dem heuboden
mäuse im gebälk…
mäuse auf dem dachboden und getreide
die dreschmaschine auf der tenne
dreckigste staubwolken
dreckige gesichter
der misthaufen direkt vor der tür
ich mit dem besen
die hausfront ist 34 m lang
ich mit dem besen
am samstagnachmittag
das wasser in der badewanne
die felsen hinter dem haus…
das wasser in der waschküche
ein bottich
ein kalb
hühnerkackenmeer
der staub auf der tenne
der staub der lärm
fliegende holzscheite
ein hund kommt unter die räder
eine katze springt in die mähmaschine
eine kuh kommt ins schlachthaus
ein sarg steht im fernsehzimmerchen
das ist mein opa
meine oma im flur
mein opa hatte einen schnurrbart
ich hatte lederhosen
ich hatte rachitis
ich war im kellerloch
ich lief in die nachbarschaft
ich lief durchs gras
zehn kühe tranken wasser im fluss
ich stand am ufer
ich sah die libelle
ich sah die steinbrücke
rachitis – die englische krankheit
ich schwamm zum ersten mal im fluss
ich saß auf fichten
ich lag im laub
ich fliege in eine böschung
ich verschwinde
ich muss hier weg
auf dem kartoffelfeld unter den masten
erfahren wir vom tod
ich bin vier und laufe
ins dorf
um den tod zu melden
die säge jault
die raben fallen über fichten her
die raben
sind meine freunde
gewitterraben
schwüle
die katze läuft immer weg
ich auch
ich liege im bett
und bete mit meiner oma
ich bete, ich muss beten
meine oma hat krebs
meine oma kommt nach marburg
ich stehe an der tür
ich laufe in die nachbarschaft
ich liege im gras
ich schwimme im fluss
im sommer
die nachbarkinder sind die nachbarkinder
in den rinnsälen suchen wir molche
in den bächen sind neunaugen
der winter ist bitter
und der schnaps steht auf dem tisch
in der dunklen küche
in der dunklen küche
der katzentischküche
sitzt der nachbar mit der pfeife
immer wieder wird geraucht
die blechkanne auf dem tisch
da hat er seine milch
mal kommt er
mal kommt seine frau
er ist anstreicher
wie adolf
er ist ein kinderschreck
ich suche finnland
im atlas
ich seh mich am lagerfeuer
ich bin an einem finnischen see
ich lebe in finnland
dies ist nicht mein land
ich verschwinde
während die säge jault
die melkmaschine brummt und brummt
und die milchkannen stehen an der straße und warten
und ich warte
ich langweile mich machtlos wie ich bin
ich träume von finnland
wo die kinder frei sind
und an seen spielen
und wieder kommt ein nachbar
und wieder wird geraucht.
ein nachbar kauft die nationalzeitung
er holt sie sich am samstag oder sonntag
ich lauf nach finnland
oder flieg ich durch die luft?
oder
spiel nicht mit mädchen
die tante kommt und zieht meinen scheitel gerade
ich schäme mich meiner hohen stirn
es ist sonntag
da zieht man schöne sachen an
es ist sonntag
und ich flieg nach finnland
und da fliegen keine holzspäne über den hof
die kühe scheißen auf die straße
die kälber trinken milch
ich liege im trog
ich bin bei den tieren und spreche zu ihnen
aber es gibt keine heiligen
wir sind alle protestanten
vor allem meine tante
die sich später aufhängen wird
hast du gebetet
fragt ihre mutter
beten
beten
nein nein
es gibt keine engel
und es gibt nur nebel…
und den ersten fernseher
kennedy ist tot die nachbarin weint
in der kleinen engen stube
wo der großvater starb
ende august
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